Von Händen und Fäusten

Der Handschlag, auch bekannt als Shakehands: traditioneller Gruss, bodenständige Besiegelung eines Vertrags oder politische Verbrüderungsgeste. Kernig, zupackend, zugriffig, fast übergriffig. Mich stört es nicht, dass dieses lästige Ritual wegen der Gefahr, sich mit Corona anzustecken, abgeschafft worden ist. Mir war es vordem an Festen, Feiern und Versammlungen immer erst einigermassen wohl, wenn ich nach meiner Ankunft endlich durch war mit der endlosen Händeschüttelei, mit dieser Ausübung von körperlichem Druck auf zum Teil wildfremde Menschen, denen ich als eher zurückhaltender Zeitgenosse eigentlich nicht zu nahe treten wollte.

 

Dann gab es bis vor Kurzem noch jene Art von Handschlag, bei dem sich die Hände andersherum verschränkten, quasi antibürgerlich. Diese lässige Variante war unter Skatern, Rappern, Sprayern und Rockern verbreitet. Ich kenne sie aus meinen Zeiten als Tastenmann in einer Rockband: An den (eher kleinen) Festivals, an denen wir spielten, flog mir in besagter Manier hin und wieder das ledergeschmückte Handgelenk eines befreundeten Musikers entgegen, das ich in derselben coolen Weise abfangen musste – was manchmal zu kleinen Unkoordiniertheiten meinerseits führte.

 

Da lob ich mir doch die handschlagfreie Gesellschaft. Wobei – ist sie das unterdessen? Nicht wirklich. Leider gibt es Alternativen. Unlängst hatte ich ein Gespräch mit meinem Versicherungsberater. Bei der Begrüssung schob er mir jovial die geballte Faust in Richtung Magen, ich parierte, unsere Fäuste prallten zusammen – männlich, praktisch, gut. Aber nicht für mich. Ich bin kein Wrestler, der seine Freunde und Feinde mit einem derben Fistbump begrüsst.

 

Irritierend war auch die berufliche Begegnung neulich mit einem Herrn in Anzug und Krawatte, der sich mir zur Begrüssung herzlich mit angewinkeltem Unterarm näherte. Wollte er zu einem Bodycheck ansetzen wie ein Eishockeyspieler? Ich kombinierte schnell: Er lud mich zu einem dieser neuartigen Ellbogenstupser ein. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mitzuhalten. Dabei kamen wir uns so nahe, dass wir eigentlich gleich die Nasen hätten aneinanderreiben können wie die Inuit.

 

Da ist mir das diskrete Winkewinke aus gehöriger Zweimeterdistanz bedeutend lieber. Ich winke in letzter Zeit oft und gerne. Ich habe es auch schon mit dem schneidigen militärischen Gruss versucht, bin damit aber nur in einem Fall auf Gegenliebe, ja Begeisterung gestossen, bei einem ehemaligen Feldweibel.

 

Meinerseits begeistert hat mich gestern eine ältere Bekannte, die sich nach einer anregenden Plauderei mit einer äusserst graziösen Verneigung japanisch verabschiedete. Ich denke bereits daran, es künftig auch so zu hand-, nein, zu hüfthaben. Eine richtig noble Verbeugung, ein vollendet schöner Diener aus der Hüfte heraus. Das kann ich ja noch aus meiner Kindheit, als ich mich in der Burgdorfer Stadtkirche beim Entgegennehmen des Solättetalers verneigen musste.

 

Und warum nicht gleich aufs Ganze gehen und einen altchinesischen Kotau vollführen? Ja, das wär’s. Bei der nächsten Begegnung werfe ich mich vor meinem Gegenüber in den Staub. Das ist physisch garantiert distanziert, zugleich zeugt es von Herz, Knie und Hingabe.