Wenn ich in meiner geliebten Stadtbibliothek im Thriller-Regal stöbere, fällt mir eine neue Mode auf: Gefühlt jedes dritte Cover all der aufgereihten Schreckensromane zeigt einen oder mehrere Schmetterlinge. Eine abgehackte Hand – darauf ein Schmetterling. Ein Henkerstrick – darauf ein Schmetterling. Eine antike, halb aus dem Boden ragende Büste – darauf drei Schmetterlinge. Ein vor sich hin bleichender Schädel – darauf ein ganzer Schwarm kleiner Schmetterlinge. Dazu bösartige Einworttitel in dekorativ zerkratzten Grossbuchstaben: Blutrausch. Würgemal. Todsünde. Leichenschmaus. Höllenengel. Vergiftet. Verwest. Gerächt.
Seltsam. Was genau wollen mir die Schmetterlinge in diesem Panoptikum des Grauens sagen? Meist stehen sie ja mit dem Titel in keinem erkennbaren Zusammenhang, scheinen bloss Dekoration des Diabolischen zu sein.
Ich denke, auf diesen Buchhüllen wird subtil mit der Spannung gespielt, die verheissungsvoll zwischen allem Gegensätzlichen wabert. Auf der einen Seite das Bedrückende, Grausige, Abgründige in Form der Horrortitel. Auf der anderen Seite das Unbeschwerte, Leichte, Heitere, aber auch sehr Fragile in Form des flatterhaften Insekts, das arglos das Böse umgaukelt und sich – o Höhepunkt des Leichtsinns – darauf niederlässt. Kann das gut gehen? Wird es gut kommen?
Natürlich nicht. Der Albtraum ist vorgezeichnet. Der Schmetterling muss vom Tornado des Schreckens früher oder später zerfetzt werden – von jenem Sturm, den er durch das Schlagen seiner leichten Flügel selber entfacht. Ihr wisst schon, Chaostheorie: Flattert ein Schmetterling in Brasilien, löst er einen Wirbelsturm in Texas aus. Übertragen auf den Menschen: Ohne Böses zu ahnen, balanciert er stets dicht am Abgrund der Hölle – bis ein Steinchen herunterfällt und die Heere Beelzebubs weckt. So ungefähr.
Vielleicht lese ich in diese Thriller-Schmetterlinge aber auch zu viel Tiefsinn hinein. Vielleicht sind sie tatsächlich nichts weiter als eine modische Marotte, die sich so schnell verziehen wird wie ein Furz, pardon, wie ein leichter Windstoss, in dem sich die Papillons selig treiben lassen.